Pressekonferenz

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Dabeisein wäre alles gewesen

Di Stefano, Schuster, Weah und andere: Sie gehörten zu den besten Spielern ihrer Zeit und waren doch nie bei einer WM dabei.


 

"Sterbt nicht so wie ich,“ schrieb er am Ende mit gelber, zitternder Hand, während seine Organe der Reihe nach ihren Dienst quittierten. „Sterbt nicht so wie ich.“ Sein ganzer Körper war vergiftet, und so schön er einst gewesen war: Lange bevor der Tod ihn abholte, sah er ihm schon verdammt ähnlich. „Sterbt nicht so wie ich.“ Eine sinnlose Warnung (als könnte man es sich aussuchen), die verzweifelte Warnung eines Mannes, der wusste, dass er eine dunkle Ikone war. „Sterbt nicht so wie ich.“ Wer will das schon? Aber leben wie er, das wollen viele. Und vielleicht ist es dann der Preis, so zu sterben wie George Best.


„Obwohl es einen im Grunde einen Dreck angeht, wird man wütend,“ schrieb Ulrich von Berg in seinem Nachruf. „Wer auch nach der Lebertransplantation weitersäuft wie tausend Russen, der hat selbst Schuld. Als ob es um Schuld ginge oder darum, wer Mitleid verdient.“ Zu Recht verbannt er damit ethische Überlegungen, die auf Bests Existenz ohnehin nicht anzuwenden sind. Ebenso müßig sind Erklärungsversuche, warum Best anfing, so hart zu saufen, dann immer härter und sich schließlich unter die Erde soff. War es Veranlagung? Der Druck? Lag es in der Familie? Best selbst wollte es ja auch nicht wissen. Der Durst, war der nicht Grund genug?

„1969 habe ich das mit den Frauen und dem Alkohol aufgegeben. Das waren die schlimmsten zwanzig Minuten meines Lebens.“ Dieser Spruch, der heute auf unzähligen T-Shirts angetrunkener Scherzbolde prangt, stammt von George Best, und der hat ihn ernst gemeint. Er war kein angetrunkener Scherzbold, er war der beste Fußballer der Welt, der nebenbei soff, und zwar „weit über das unter britischen Fußballern verbreitete Maß hinaus,“ so Ulrich von Berg. Weiß der Himmel, wie das möglich war: Best war ein Gott mit wehender Mähne, wahnsinnig rasant, expressionistisch dribbelnd, brandgefährlich, beidfüßig, mit einer abgrundtiefen Verachtung für alle Verteidiger - und immer auch bereit, selbst zu grätschen, sogar zu treten, sich irgendwie den Ball zurückzuholen, der ja ihm gehörte, weil er als Einziger mit ihm umzugehen verstand. Sein enger Freund Rodney Marsh sagte einmal über ihn und sein Spiel: „Best war der schnellste, der intelligenteste und der zerstörerischste Spieler, den es je gegeben hat. Es hab keinen Mutigeren als ihn.“

1961 entdeckte ihn Bob Bishop, Späher vom FC Manchester United, auf einem Acker in Belfast, wo er für die Lisnasharragh Intermediate School spielte. Georgie, so riefen ihn alle, war 15 Jahre alt und schon ein „Genie“, wie Bishop Trainer Matt Busby japsend berichtete. Der zuckte nicht mit der Wimper und holte Georgie und seinen Kumpel Eric McMordie nach Old Trafford. Doch beide plagte das Heimweh, und sie büchsten aus. Erst nach 14 Tagen konnte Bests Vater Dickie sie zur Umkehr bewegen. Es sollte nur zwei Jahre dauern, bis Georgie sein Debüt in der ersten Mannschaft gab. An diesem 14. September 1963 sprang „She Loves You“ von den Beatles an die Spitze der englischen Charts, und Best traumatisierte gegen West Bromwich seinen Gegenspieler Graham Williams, der noch Jahrzehnte später sagte: „Zeigt mir endlich mal ein Foto von dem Kerl, ich habe damals immer nur seinen Arsch gesehen.“ In seiner ersten Spielzeit schoss Best sechs Tore, wurde mit ManU Vize-Meister und trat erstmals für Nord-Irland an. In den wenigen intensiven Monaten, in denen das geschah, wurde er zu jener Ikone. Schon länger hatte der Rock’n’Roll danach gestrebt, mit dem Fußballsport eine unheilige Allianz einzugehen. Und Best war der ideale Hybride, „ein Balltreter“, so Ulrich von Berg, „der - nebenbei oder eigentlich - auch so etwas wie ein Popstar war, ein fehlgeleiteter Rock’n’Roller, dem nur die Gitarre abhanden gekommen war. Diese bis dahin nur ersehnte Kombination war für eine bestimmte Generation a dream come true.“

Und schon war George Best seinerseits eine unheilige Allianz eingegangen. Auf einem Jugendturnier in Zürich war er so besoffen gewesen, dass er sich in ein Taxi erbrochen hatte. Das wurde - zumal vom biederen Matt Busby - noch verharmlost und nahm auch tatsächlich erst selbstzerstörerische Ausmaße an, als der ManUs Lokalrivale City den ebenso durstigen Mike Summersbee verpflichtete. Best und Summersbee wurden zu den empörendsten drinking buddies des Königreichs, und kein Mädchen war sicherer vor ihnen als sie vor den Mädchen, wobei Best sich ein ums andere Mal die Visage von einem eifersüchtigen Verlobten polieren lassen musste. „Exakt 276 Tierfiguren befanden sich auf dem Tapetenmuster der Rückwand in Matt Busbys Büro,“ weiß Ulrich von Berg zu berichten - George Best hatte sie während der zahlreichen Moralpredigten des Trainers immer wieder durchgezählt. Viel konnte Busby nicht bewirken: Auf dem Höhepunkt ihres Schaffens eröffneten Best und Summersbee obendrein die obskure Boutique „Edwardia“.

Noch konnte Best die Exzesse kompensieren, nicht zuletzt durch seinen unbändigen Trainingseifer. Seinen auch unter Fachleuten, die sich für Rock’n’Roll oder dergleichen nicht die Bohne interessieren, gültigen Status als Weltklassespieler begründete er am 30. September 1964, als er beim Sieg gegen Tabellenführer Chelsea eines seiner besten Spiele überhaupt bot. „Er trieb seinen Gegenspieler Ken Shellito in einen Wahnsinn, von dem sich dieser niemals erholen sollte,“ erinnert sich Ulrich von Berg. „Er umkurvte mühelos zwei, drei Gegner und setzte dann zu seltsamen Doppelpässen an, einfach indem er den nächsten Konkurrenten in voller Absicht anspielte. Er erzielte auch ein eigentlich unmögliches Tor, in dem er sich in einen Rückpass von Hinton zu Keeper Bonetti mogelte. Best bot all das und noch mehr, aber er machte es anders, selbstverliebter, kreativer und dreister als die unzähligen Fummelkönige.“

Dank George Bests überragenden Könnens, der Ruhe und Verlässlichkeit seines Antipoden Bobby Charlton und der Kompromisslosigkeit und des Instinktes seines Bruders im Geiste Denis Law (gemeinsam bildeten sie die „Holy Trinity“) wurde der FC Manchester United 1966 und 1967 englischer Meister. Mit seinem Führungstreffer im Endspiel des Landesmeisterpokals 1968 ebnete Best den Weg zum 4:1 Sieg gegen Benfica Lissabon. Hinterher sagte er: „Ich habe immer davon geträumt, den Torhüter auszuspielen, den Ball auf der Linie zu stoppen, mich hinzuknien und ihn dann mit dem Kopf ins Tor zu befördern. Gegen Benfica hätte ich das fast getan. Den Keeper hatte ich hinter mir gelassen, aber dann habe ich gekniffen. Der Trainer hätte sicherlich einen Herzinfarkt bekommen.“ ManU war es als erster englischer Mannschaft gelungen, den wichtigsten Vereinspokal zu gewinnen. England lag George Best zu Füßen und wählte ihn zum Spieler des Jahres und zum fünften Beatle. Noch im selben Jahr erwies Europa ihm die gleiche Ehre.

Doch diese in sportlicher Hinsicht glanzvolle Karriere blieb unvollendet. Zwar bestritt George Best 37 Länderspiele und schoss dabei neun Treffer, konnte damit dem ansonsten dürftig besetzten Team nicht zu der Teilnahme an einer Weltmeisterschaft verhelfen. Erst 1982 und 1986 qualifizierte sich Nord-Irland für das Turnier, doch da kickte George Best schon jenseits von Gut und Böse in längst untergegangenen Operettenligen. Den Weg dorthin hatte er recht bald nach dem triumphalen Finale gegen Benfica eingeschlagen. Ab 1969, er war erst 23 Jahre alt, begann sein Stern zu sinken, und auch sein Verein befand sich rasch im freien Fall. „Aber da,“ so Ulrich von Berg, „war man schon unbescheiden geworden, wollte partout nicht einsehen, dass er für genug Wirbel gesorgt und dem britischen Fußball einen Innovationsschub verpasst hatte, der - rückblickend betrachtet - geradezu ungeheuerlich war.“ Best erschien immer öfter in desaströsem Zustand zum Training und begann sogar, Spiele zu schwänzen. Er war untragbar geworden und niemand, der ihn seiner besten Zeit erlebt hatte, konnte seinen Verfall mit ansehen. Ein Page, der Anfang der 70er Jahre mit dem Frühstück in Bests Hotelzimmer kam und ihn dort betrunken inmitten von lose herumliegendem Bargeld und leeren Flaschen vorfand, soll ihn angeschrieen haben: „Wann ist denn bloß alles schiefgelaufen, Georgie?“

Und es lief weiter schief. 1974 hatten die Verantwortlichen die Faxen dicke. Nach 466 Spielen und 178 Toren durfte Best nicht mehr für ManU auflaufen. Zwar zeigte er auf seinen Stationen in Los Angeles oder San José noch Spuren seines Könnens, doch all das muss als unwürdiger Epilog seiner Karriere angesehen werden. Erst 1984 fand sie ein viel zu spätes Ende. Ein honoriger Sportbotschafter ist Best danach nicht geworden. Wer hatte das auch allen Ernstes erwartet? Ungern wollte die FIFA sich aufs Buffet kotzen lassen, und die Fußballunternehmer Pelé und Beckenbauer lupften sich auf den Galas lieber allein die Bälle zu. Georgie war’s recht, so konnte er ungestört weiter- und immer weitersaufen.

„Sterbt nicht so wie ich.“ Die sinnlose Warnung, wie gesagt, eines Mannes, der eben dieses Sterben mit brutaler Konsequenz vorangetrieben hatte. „Sterbt nicht so wie ich.“ Was sollten die Hunderttausend, die seinen Sarg säumten, mit diesem Testament anfangen? „Sterbt nicht so wie ich.“ Vielleicht war es Reue, wenn auch allzu spät. „Sterbt nicht so wie ich.“ Einer immerhin hat ihm den Gefallen getan: Sein alter Vater Dickie, der aus Belfast an sein Bett geeilt war. Er war immer sein größter Fan gewesen.

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Streiflicht

(SZ) Rund 2,4 Millionen Menschen verunglücken hierzulande jährlich im Haushalt, zum Glück nicht alle auf die Art und Weise wie jene 73- jährige Frau aus dem amerikanischen Pittsburgh. Sie wollte ihre Wohnungstür mit dem an einem Halsband befestigten Schlüssel öffnen, stürzte und strangulierte sich. Mit Recht also mahnt das Deutsche Kuratorium für Sicherheit in Heim und Haus e.V.: „Ursache der Unfälle sind fast immer Leichtsinn, Unachtsamkeit, Gedankenlosigkeit, das Überschätzen eigener Fähigkeiten und das Nichtbeachten von Sicherheitsvorschriften.“  

Von der Selbstüberschätzung zum Profifußball ist es nicht weit. Der Spieler Dirk van der Veen verletzte sich beim Rasenmähen und kann jetzt vier Wochen lang nicht spielen. Er brach sich einen Mittelhandknochen. Natürlich passt hier nichts wirklich zusammen. Warum mäht ein Fußballer den Rasen, anstatt ihn mit seinen Stollenschuhen umzupflügen? Und warum die Hand? Hätte er sich den Fuß abgetrennt oder sich beim Benzin Einfüllen in die Luft gejagt, wäre er aufgrund im Urlaub entstandener konditioneller Mängel vor Erschöpfung in seinem Bielefelder Vorgärtchen zusammen gebrochen – okay, kein Wort mehr, gute Besserung.   

Aber sich die Hand zu brechen, weil er die Kontrolle über das Seil des Anlassers verlor und ihm dieses den Knochen eben jener nun in Gips verpackten Mittelhand durchschlug, wirft Zweifel auf an der Qualifikation des Herrn van der Veen als Stürmer. Wie soll der Mann einem Gegenspieler weglaufen, wenn er nicht mal seinem Rasenmäher entkommt? Andererseits steht die Episode symbolisch für die gesamte in die Krise gerutschte Branche. Um möglichst lange von den spärlicher fließenden Milliönchen zehren zu können, wird am falschen Ende gespart: am Gärtner.  

Das ist fahrlässig, denn die Alltagsuntauglichkeit von Fußballspielern ist hinreichend belegt. Schon der spanische Torwart Santiago Cañizares verpasste die WM, weil ihm beim täglichen Parfümieren das Duftwasserfläschchen zu Boden glitt und er in die Scherben trat, anstatt sie wegzufegen. Der Spieler Stefan Kuntz verpasste ebenfalls ein WM-Turnier, weil er beim Aussteigen aus dem Bus umknickte. Leuchtendes Vorbild auch hinsichtlich des Verhaltens außerhalb des Fußballplatzes ist wieder einmal Oliver Kahn. Der Titan misstraute im Urlaub auf Sardinien weitsichtig seiner Unsinkbarkeit und lief den Paparazzi am Pool mit dem Schwimmreifen seiner Tochter vor die Kameras. Sehr beruhigend.  

Fußballer leben eben in ihrer eigenen Welt, und werden sie zu einem Abstecher ins Paralleluniversum gezwungen, das Leben heißt, lassen sie entweder alles fallen oder werden Opfer dieses grausamen Dschungels vor der Balkontür. Gut, dass die Bundesliga begonnen hat. Ab sofort mäht wieder der Platzwart den Rasen.

Süddeutsche Zeitung / 10.08.02   

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Stirb, Susi!

Verwirrte Stilmagazine haben den Männern eingeredet, ihre „innere Frau“ zu entdecken. Eine Katastrophe.

Die Schauspielerin Elizabeth Hurley, der man sonst wenig anhaben kann, hat kürzlich im US-Fernsehen sehr gelitten. Ihr aktueller Liebhaber, der Hindu-Beau Arun Nayar, wurde von Rapper Dr. Dre als „Schwuchtel“ bezeichnet. Das war überraschend für Miss Hurley, die in der Sendung „Comedy Central Roast“ zu Gast war, um den Amerikanern neben ihrem Film „Double Whammy“ auch ihren neuen Lover zu präsentieren. Statt dessen nahm sich Straßenjunge Dre, der anderen harten Jungs wie Eminem zu Ruhm verhalf, notorisch Nayars übergepflegte Erscheinung vor.

Wer seinen putzig zurecht gemachten Freund von St. Moritz bis Neu Delhi am Händchen hinter sich herschleift, braucht über Spott allerdings nicht zu klagen. Denn wer sich wiederum mit Föhnfrisur und weibischer Kleidung von der Hand einer Frau als männliche Susi durchs Leben ziehen lässt, ist per se ungefährlich. Herr Nayar erschrak und bog sich hinter den Rücken seiner Chefin, um sich dort zu schämen. Hurley schaute panisch zur anderen Seite, wo sich Schauspieler Kiefer Sutherland ebenfalls bog, wenn auch vor Lachen.

Vor einigen Jahren entdeckten amerikanische Stilmagazine eine neue Spezies, die sich seither ausbreitet wie die Grippe in einem gut geheizten Kindergarten. Die Spezies wurde Just Gay Enough (JGE) getauft und später als Metrosexual bezeichnet – seither geistert sie unter jenem Namen durch die Gazetten und leider auch immer häufiger durch die Straßen. Es handelt sich um ein Gesellschaftsprodukt, das heterosexuell ist, aber „gerade schwul genug“, um Frauen angeblich zu gefallen. Insgesamt ist diese Spezies ein Tiefausläufer im Gefolge des Fußballers Beckham, der von seiner Victoria eingeseift und mit Klaps auf den Popo zum Training verabschiedet wird.

Aber was ist gemeint mit „schwul genug“? Warum sollen wir Frauen Männer sexy finden, die sich auf dem selben Terrain versuchen wie wir? Männer, die eingelaufene Hemden tragen, um die Figur ins bessere Licht zu rücken?

Nun ja, Weicheier, die die Frage „Wie geht’s?“ sämig beantworten und von ihren uninteressanten letzten Trennungen berichten, Typen, die sich von den bösen Launen ihrer Männerangstschweiß witternden Frauen regieren lassen – all sie sind keine neue Plage. Das Phänomen des nun glücklicherweise zu Ende gehenden Jahres 2003 sind vielmehr jene, die dazu bedruckte Hosen tragen sowie Flip-Flops und einen Ring am kleinen Zeh. Gleichzeitig beherrschen sie fatalerweise alle Regeln, um auf dem Planeten Venus eine irgendwie friedlich anmutende Koexistenz mit echten Weibern zu führen. Der als JGE bezeichnete Mann soll dadurch besonders userfreundlich sein, das er keine Berührungsängste mit seiner „inneren Frau“ hat.

Ein Wunder der Evolution: Er lebt im Einklang mit seiner femininen Seite, nimmt Maniküre und Pediküre in Anspruch, liebt es, zu shoppen, weiß, dass Wolford keine Comicserie und Lipgloss nicht tödlich ist. Er investiert begeistert in für ihn abgestimmte Pflegeserien. Zusätzlich macht er sich zu Beginn jeder Saison heftige Sorgen um seine Garderobe. Das Resultat dieser Sorgen landet weit entfernt von dem Ziel, das kein Mann je aus den Augen verlieren darf, weit entfernt vom: coolen Hund.

In den schlimmsten Fällen macht er noch Yoga. Trifft sich aber auch mit Gleichgesinnten, um bei einem selbst gekochtem Männer-Risotto DFP-Pokalspiele zu sehen, bei denen er sich wünscht, dass drittklassige Luschen wie er selbst eine ist, gegen den FC Bayern gewinnen. Im Sommer scheut er weder Mühe noch Kosten, um Karten für ein Formel-Eins Rennen in Imola zu erlangen. Nach dem Rennen bleibt ihm nämlich noch Zeit, um in Mailand durch die Shops zu bummeln. Sollte „das Teil“, das er erst kürzlich in einer Männer-Modegazette entdeckt hat, bereits „out of stock“ sein, fällt sein Reisebericht enttäuscht aus. Er, ein hetereosexueller Mann, der glaubt, sowohl auf dem Mars wie auch auf der Venus zu leben, hält deshalb alle geschlechtspezifischen Probleme für gelöst. Aber: Wer hat Respekt vor einem Mann mit einer Yogamatte? Sind diese Männer mit Namen Susi die einzige Massenalternative zum normalschlecht angezogenen Mann? Und ist nicht irgendetwas im Geschlechterkampf missverstanden worden?

Die Klägerinnen bereuen jetzt alles. Sie haben nochmal nachgedacht und – wie es Art von uns Frauen ist – ihre Meinung geändert. Die neue, frauenfreundliche Züchtung gefällt überhaupt nicht. Sie ist unerotisch, zweckentfremdet, riecht pudrig, lässt sich nicht ernst nehmen. Frauen hätten die Veröffentlichung von Schund-Ratgebern wie „Männer kommen vom Mars und Frauen von der Venus“, „Warum Frauen nicht einparken und Männer nicht zuhören können“ oder „Generation Ally“ verhindern müssen. Sie hätten auch alle Frauen knebeln müssen, die dafür sorgten, dass Männer solche Bücher lesen.

Der Schaden ist enorm. Gute, alte, männliche Attribute sind weitgehend vom Parkett verbannt. Sie werden als roh, schlicht oder ursprünglich abgetan. Stattdessen bevölkern Gekkos in gerüschten Polyesterhemden mit großen Kragen, breit drapiert auf Ledersakkos, Laffen in beigen Karreeschuhen mit dekorativer Schnalle, Straßen und Bars der Republik. Nie würden diese Männer auf die Idee kommen, sie seien keine echten Männer, züchten sie doch seit Monaten an einem albernen Designerbart herum, (und haben sie doch im Schlafzimmer eine Lampe in Kussform, um die Damen in Stimmung zu bringen). Schaut man ihnen länger als drei Sekunden in die Augen, fangen sie an zu zucken, ziehen Handys aus ihren Lackjöppchen und senden eine SMS, die mit „Hi Andi“ anfängt und mit „Tschüssikowski“ endet.

Um das Elend zu veranschaulichen, stelle man sich folgende Situation vor: Henry Fonda ruft Claudia Cardinale in der Mutter aller Stilvorlagen für Männer und Frauen – in Sergio Leones maßgeblichem Western „Spiel mir das Lied vom Tod“ – zum Abschied „Tschüssikowski“ zu. Dann erst reitet er davon, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Alles wäre doch anders gekommen, oder? Es hätte doch gar keinen Superfilm gegeben, oder? Oder??

Leone wusste, wie man Stil schreibt, ergo wusste er, wohin Männer und Frauen gehören – und dass es sich bei der sexuellen Anziehungskraft so verhält wie beim Stromkreislauf: plus und plus stoßen sich ab. Das ist nur einer der Gründe, warum Frauen eine Gänsehaut bekommen, wenn ausgerechnet Mörder Frank (Fonda) Witwe Mac Bains (Cardinale) vibrierendes Mieder aufknöpft. Wieso ist dieser Film – der vor 35 Jahren gedreht wurde – die letztgültige Stilvorlage? Nur zum Beispiel: wegen seines unübertroffen lässigen Kleidungsstils.

Selten waren Männer und Frauen so selbstverständlich sexy und dennoch zeitlos modern gekleidet wie hier. „Frank“ Henry Fonda und „Harmonica“ Charles Bronson wurden in den römischen Cinecitta-Studios unfassbar gut angezogen. Fonda trägt die meiste Zeit und zu allen Gelegenheiten (Töten, Erpressen, Quälen, Verführen) ein dunkles Nadelstreifenjackett, schmale Hosen und Lederboots. Ein Outfit, mit dem er sich auch in der Saison 2003/2004 in jeder guten Bar sehen lassen könnte.

Frank sagt zu seinem Auftraggeber Morton, einer großkapitalistischen Lusche, wie man sie heute noch in der Business-Class schlecht gelaunt nach der Bunten fragen sieht: „Soll ich einem Mann trauen, der sich einen Gürtel umschnallt und außerdem Hosenträger trägt? Einem Mann, der nicht seinen eigenen Hosen traut?“

Lifestyle-Redakteure sollen sich ihren JGE oder Metrosexual also bitte endlich an den Hut stecken. Und, liebe Männer, einige von uns Damen haben sich halt sehr geirrt. Tut uns leid. Deshalb hier 20 leicht zu befolgende Regeln, damit 2004 alles wieder an seinen Platz kommt. Schauen Sie mal, ob Sie noch zu retten sind, okay?

1. Ein Mann isst in der Tat gerne Fleisch. Er versteht nicht, dass seine Begleiterin sich darüber ekelt und kommentiert diesen Ekel auch nicht. Er isst einfach weiter. Er kann ein paar Gerichte kochen, belästigt aber niemanden damit. Niemals schaut er in einen kochenden Topf und sagt „Köchel,köchel, köchel!“ oder „Mjam, mjam, mjam!“

2. Er interessiert sich für ihre Unterwäsche, nicht für seine. Er trägt Shorts. Kunstfasern und „lustige“ Farben sind was für Seiltänzer.

3. Er ist sauber, nicht ordentlich. Ein Mann, der Bücher und Platten alphabetisch sortiert, hat auch seine schmutzige Phantasie unter Kontrolle.

4. Er darf keinesfalls besitzen: Regenschirm, CD-Ständer, Keith-Haring-Sofa, Föhn, Porzellanhuhn als Klobürstenhalter, Schuhe, die aussehen wie Damenhandtaschen, bedruckte Langarm-T-Shirts, letztere sind, wie auch Rülpsen u.ä., die Sache von 15-jährigen Schuljungen. Er darf besitzen: Stoffe von Etro, Paul Smith, Armani (Cashmere Pullis), Gucci (Hemden klassisch), Yves Saint Laurent, Zegna, Dior, Hemden von Ralph Lauren. Die „Kelly-Bag“ von Hermès schenkt er ihr zu Weihnachten. Seine Uhr: Speedmaster von Omega. Er duftet nach Yves Saint Laurent oder dem Vater aller Ledernoten: „Knize 10“.

5. Er hinterlässt nach dem Duschen unbedingt eine Katastrophe im Bad.

6. Er hat in seinem Wagen keine hellbeigen Ledersitze. Hellbeige Ledersitze sind was für Fernseh-Yuppies mit Sodbrennen. Ein hektischer Fahrer vergrault jede Frau. Ein Raser und Flucher macht sie darauf aufmerksam, dass er auch woanders nur rast und flucht. Gut: den Arm über die Beifahrerlehne legen.

7. Frauen sind aufbrausend, Männer sind es nicht. Wird er gereizt, bleibt er cool. Er richtet die Nervensäge später hin. Womöglich viel später.

8. Er verträgt Alkohol und Drogen. Nicht in der Art wie Robert Downey Jr., aber mehr als seine Frau. Eine Frau, die ihren jammernden Mann nach einer Flasche Chablis heimbringen muss, ist eine Frau mit einem Problem.

9. Er muss größere Füße haben als sie, mehr wiegen als sie und an Armen wie Beinen behaarter sein als sie. Alles andere ist erniedrigend. Für beide.

10. Er darf keine Sandalen tragen.

11. Er hat keinen „gemütlichen kleinen Bauch“. Frauen, die behaupten, dass sie seinen „gemütlichen kleinen Bauch“ lieben, haben oft einen geheimen Zweitfreund, der keinen „gemütlichen kleinen Bauch“ hat. Er darf eine Glatze haben, aber niemals eine Frisur.

12. Er muss Schmerzen aushalten können. Schnitt- und Brandwunden sind mit stiller Würde zu ertragen.

13. Er muss ihre drei albernen Freundinnen mögen und sogar ein wenig mit ihnen flirten. Er muss drei rätselhaft stille Freunde haben, mit denen er von Zeit zu Zeit verschwindet. Ein Mann ohne diese drei Freunde ist verdächtig.

14. Er muss kein Handwerker sein, aber Werkzeug besitzen und Licht wie auch DVD-Player anschließen können.

15. Er fragt niemals „Liebst du mich?“ und niemals „Was ist los mit dir?“ Heult sie – natürlich grundlos – schenkt er ihr etwas, obwohl Weihnachten schon vorbei ist (siehe auch Punkte 2 und 4: Unterwäsche / „Kelly-Bag“).

16. Er jammert niemals bei seinem Chef herum. Regel: Männer, die beim Chef über ihre Kollegen jammern, jammern auch bei Mama über ihre Frauen.

17. Er redet sowieso nicht viel.

18. Er läuft auf der Straße niemals hinter ihr her, schon gar nicht an der Hand.

19. Er fragt niemals „Wollen wir teilen?“, wenn die Rechnung kommt.

20. Er regiert sein Handy, sein Handy regiert nicht ihn. In Gesellschaft ist sein Handy ausgeschaltet. Er verschickt SMS nur im absoluten Notfall! Kurzmitteilungen sind was für 15-jährige Schulmädchen. Hätte Charles Bronson die SMS „Hi Frank, Finger weg von Witwe McBain, sonst knallts! Tschüssikowski, Harmonica“ abgeschickt?

Lieber Mann, verdammte Susi, erfüllst Du nur circa 5 Punkte? In der Hölle wirst Du Arun Nayar treffen. Erfüllst Du ungefähr 12 Punkte? Noch bist Du zu retten! Den Männern, die die 20 Punkte annähernd erfüllen, müssen wir ein schönes Wochenende nicht erst wünschen. Ihren Frauen naturgemäß auch nicht.

Wäis Kiani / Süddeutsche Zeitung / 6.12.03