Fortuna |
"Ahnungslos
und größenwahnsinnig" Traditionsklub Fortuna Düsseldorf hat einen grandiosen Fehlstart in die Regionalliga hingelegt - nun soll Reiner Calmund bei der Rettung helfen. Wenn
man Reiner Calmund fragt, ob er schon bereut, dass er sich vor vier
Monaten in den Aufsichtsrat des Fußball-Drittligisten Fortuna Düsseldorf
hat wählen lassen, dann lacht er erst mal. Wenn Calmund, 56, lacht, wird
man stutzig. Der
einstige Manager von Bayer Leverkusen, der als WM-Botschafter durch die
Gegend reist, redet gern ohne Punkt und Komma, und Lachpausen erwecken bei
ihm den Eindruck von Nachdenklichkeit. Er will dann aber doch nicht
nachdenklich wirken und sagt: „Wenn ich einmal Ja sage, dann meine ich
auch Ja!“ Calmund
hilft also weiter an der Wiederbelebung des maroden Düsseldorfer
Traditionsklubs mit, muss aber zugeben, „dass die Situation momentan
sehr schwierig ist“. Neue
Arena für 50.000 Fans gebaut 1997
ist die Fortuna aus der Bundesliga abgestiegen und tief gefallen. Vor
einem Jahr ist sie aus der Oberliga in die Regionalliga zurückgekehrt,
hat einen Sportdirektor namens Thomas Berthold bekommen und eine Fußballarena
für 50.000 Menschen. Der Sportdirektor ist schon wieder gefeuert, aber
die Arena ist noch da, und das ist das Problem. Das im Vollbesitz der
Stadt befindliche Stadion lässt sich ohne Profifußball nicht
finanzieren. Knappe
Kassen Vom
Aufstieg sei vor dieser Saison bereits gesprochen worden, aber er habe
immer betont, dass es erneut nur um die Vermeidung des Abstiegs gehe. Auch
aus finanziellen Gründen. Einen Aufstiegskader kann sich der Klub gar
nicht leisten. „Viele gute Spieler, an denen wir dran waren“, sagt
Weidemann, „sind für uns nicht finanzierbar.“ Zwei
Niederlagen noch, dann hätte Fortuna Düsseldorf den schlechtesten
Saisonstart der Klubhistorie hingelegt, und die Heimspiele in der
Massen-Arena drohten demnächst in der Oberliga Nordrhein stattzufinden.
Dann dürfte auch all das Potenzial nicht mehr nützen, das Calmund dem
Standort Düsseldorf zuschreibt: die vielen Großunternehmen fürs
Sponsoring, die vielen Agenturen für die Werbung und der Hunger der
Menschen auf Fußball. Engagierter
Calmund Auf
die Fortuna könnte angesichts ihrer dubiosen Verwurzelung zwischen Stadt
und Stadion vom neuen Arenabetreiber aus Krefeld eine Klage zukommen, die
ihre Finanzkraft übersteigen würde. Eine Existenzgefährdung hat die
Fortuna allerdings dementiert. „Nach Beratung mit seinen Rechtsanwälten
stellt der Verein fest, dass er sich nicht im Geringsten in
Insolvenzgefahr befindet“, lautet die offizielle Stellungnahme. |
Fortuna
Düsseldorf stoppt den freien Fall Die
Tradition stirbt zuletzt. Wenn die Düsseldorfer über ihre Fortuna
sprechen, sind sie immer noch schnell beim Europapokalfinale 1979 in
Basel, bei dieser unglücklichen Niederlage gegen Barcelona, 3:4 nach
Verlängerung. Oder bei den zwei DFB-Pokalsiegen in Folge, 1979 und
1980 war das. Jetzt spielt Düsseldorf in der vierten Liga. Und
Thomas Berthold schaut noch ein wenig grimmiger als sonst, wenn er auf die
glorreichen Zeiten dieses Vereins angesprochen wird. "Was soll ich
mir dafür kaufen? Hier geht nur um die Zukunft - und an der arbeite ich
ohne Rücksicht auf Verluste." Die Fans, die in der Mehrzahl eine atemberaubende Leidensfähigkeit auszeichnet, honorieren, dass es nach Jahren des freien Falls endlich wieder aufwärts geht. Und stürmen den altehrwürdigen Flinger Broich, der bis zur Fertigstellung der neuen Superarena am Rhein wieder die Heimat der Fortuna ist - wie früher. Bis zu 7000 Zuschauer sahen sich die Partien der Roten an, die Stimmung ist gigantisch. Bengalische Feuer, ein Fahnenmeer, Sprechchöre. Und das alles in der vierten Liga. Visionen
und große Sprüche hatten in der Landeshauptstadt auch zu Zeiten der
klammen Kassen Konjunktur. Oberbürgermeister Joachim Erwin erinnert im
Gespräch mit sport.ARD.de sich mit Grausen: "Wir hatten hier zuletzt
viele Schwätzer. Jetzt setzen wir nicht mehr auf einen lahmen Gaul,
sondern auf ein Pferd, das das Derby gewinnen kann." Er meint
Berthold. Auch der meldete sich an seinem neuen Arbeitsplatz gleich
deutlich zu Wort: "Wir wollen in drei Jahren in der 2. Bundesliga
sein. Und auch dort mit der Perspektive nach oben."Berthold und Erwin
ähneln einander. Sie wirken auf den ersten Blick unnahbar, Kritiker
werfen ihnen Arroganz vor. Aber beide packen an. "Wir beide sind
Macher, funken auf einer Wellenlänge", sagt der Manager gegenüber
sport.ARD.de über seinen Aufsichtsrats-Vorsitzenden. Telefonate von
Berthold ins Rathaus werden immer gleich durchgestellt. "Der OB hat
immer ein Ohr für Fortuna", sagt der Weltmeister von 1990. "Und
ich brauche nicht viele Ansprechpartner." Mit Trainer Massimo Morales, einem temperamentvollen und akribischen Trainer, scheint er einen Glücksgriff getan zu haben. Die Mannschaft um den bundesligaerfahrenen Michael Zeyer hält dem Druck bislang stand. Doch so ganz traut Berthold der Sache noch nicht: "Wir holen noch weitere Kracher, die uns bei unseren Zielen helfen." Da der Etat ausgereizt ist, geht das nur über Hilfen des Stadionbetreibers oder der Düsseldorfer Wirtschaft. Die hatte dem Verein zuletzt fast kollektiv den Rücken gekehrt, wollte nicht noch mehr Geld in das "Fass ohne Boden" (ein Sprecher des Chemie-Großunternehmers Henkel) pumpen wie beispielsweise in der Ära von Aleks Ristic. Doch Thomas Berthold konnte auch hier Vertrauen zurückgewinnen: "Ich habe viele Signale bekommen. Wenn wir so weitermachen, helfen uns auch die Firmen wieder nach oben." Eine Richtung, die die Fußballfans in Düsseldorf schon fast vergessen hatten. |
Fortuna Düsseldorf meldet sich zurück Nach zehn Siegen in 14 Spielen ungeschlagen an der Tabellenspitze, wieder erwachte Euphorie bei den Fans - der in die Niederungen der Oberliga abgestürzte Traditionsverein Fortuna Düsseldorf arbeitet sich in kleinen Schritten wieder an große Zeiten heran. «Wir sind auf einem guten Weg», sagt Thomas Berthold. Der Fußball-Weltmeister von 1990 hat im Sommer den Managerposten bei den viertklassigen Rheinländern übernommen. «In drei Jahren möchte ich mit Fortuna in der 2. Bundesliga spielen», hatte er angekündigt. Spiele wie die im Niederrhein-Pokal bei Ratingen 04/19 sollen schon bald der Vergangenheit angehören. «Berthold und unser neuer Trainer Massimo Morales haben der Mannschaft die fehlende Siegermentalität eingeimpft», erklärt Geschäftsführer Paul Jäger. Der Kölner «Express» spricht beim deutschen Meister von 1933, der 1979 und 1980 den DFB-Pokal gewann und im Endspiel des Europapokals der Pokalsieger am 16. Mai 1979 gegen den FC Barcelona erst in der Verlängerung mit 3:4 unterlag, von der «Renaissance am Flinger Broich». Berthold holte den zuvor unbekannten Italiener Morales als Coach, verstärkte die Mannschaft mit dem Ex-Duisburger Michael Zeyer als zentraler Figur sowie drei Franzosen, einem Australier, einem Argentinier und einem Japaner. Die Rot-Weißen haben die stärkste Abwehr und den drittbesten Angriff der Liga. «Die Mannschaft erspielt sich ihre Siege», sagt Berthold, der als Profi für Bayern München, VfB Stuttgart, Eintracht Frankfurt, Hellas Verona und den AS Rom aktiv war. Mit dem 3:1 gegen den Bonner SC gelang der zehnte «Dreier» in dieser Saison - dennoch war der Trainer sauer. «Ich kann nicht zufrieden sein, denn es hat wieder ein Gegentor gegeben. Da werden wir noch einmal drüber sprechen müssen. Ich erwarte von meiner Mannschaft in dieser Hinsicht mehr Konstanz», meinte Morales. Auch die Fans haben mittlerweile höhere Ansprüche. Sie sangen «Nie mehr Oberliga». «Unsere Anhänger haben arg gelitten und bekommen jetzt etwas Lebensfreude zurück», sagt Jäger. 1992 stieg die Mannschaft aus der Bundesliga ab, ein Jahr später folgte der Sturz in die Oberliga. 1995 ging es zurück in die Erste Liga, bevor es mit den Abstiegen 1997, 1999 und 2002 erneut bis zur Oberliga kontinuierlich bergab ging. Fortuna Düsseldorf war die klassische Fahrstuhlmannschaft der neunziger Jahre, die von finanziellen Krisen und zahlreichen Trainerwechseln bestimmt waren. Gleich drei Mal wurde Alexander Ristic als Coach engagiert. «Man kann zehn Jahre nicht in vier, fünf Monaten aufarbeiten», erläutert Berthold. Doch auch die Stadt Düsseldorf hat großes Interesse an einer erfolgreichen Aufarbeitung der Vergangenheit und einem Fußballverein im Profigeschäft. Auf dem Gelände des abgerissenen Rheinstadions entsteht eine moderne neue Arena - sicher keine Spielstätte für Oberliga-Fußball. Gelänge der Aufstieg in die Regionalliga, soll das altehrwürdige Paul-Janes-Stadion am Flinger Broich nach dem Willen des Managers auf 10 000 Plätze erweitert werden. In der Arena soll bei brisanten Derbys oder Begegnungen mit erhöhtem Sicherheitsrisiko gespielt werden. Bei aller Euphorie warnt Jäger allerdings auch: «Wir wollen bescheiden sein, wir haben zu viel Schlechtes erlebt.» |
Weltweit vernetzt Thomas Bertholds große Pläne mit Oberligist Fortuna Düsseldorf Die Sätze passen schon, die Thomas Berthold sagt: Zumindest sind sie dem Ambiente des internationalen Hotels nahe der Düsseldorfer Messe angemessen, wo der frühere Nationalspieler (62 Einsätze) derzeit noch wohnt. Dort spricht Berthold über „Kommunikationsschnittstellen“ und „Verknüpfungsgeschäfte“ und meint: „Auch das Thema Vermarktung muss neu aufgestellt werden.“ Gerne stellt er seinen Ausführungen ein „ich sage mal ganz ehrlich“ oder „um es ganz klar zu sagen“ voran. So wie entschlossene Manager das eben tun, und Thomas Berthold ist ja auch Manager. Allerdings bei Fortuna Düsseldorf, einem Fußballverein mit mehr Vergangenheit als Gegenwart. Seit der Klub 1997 aus der Bundesliga abstieg, ist er bis in die Vierte Klasse durchgereicht worden. In der Oberliga Nordrhein wurde Fortuna Düsseldorf im Vorjahr Achter – hinter Velbert, Adler Osterfeld und der zweiten Mannschaft von Borussia Mönchengladbach. „Mit Fußball hatte das nicht viel zu tun“, sagt Berthold, der bislang nur zwei Videos seines neuen Teams gesehen hat, und rollt die Augen. Das darf er auch, schließlich wurde er 1990 Weltmeister. Nur, was macht der Mann dann hier? „Das ist vereinsunabhängig zu sehen“, sagt Berthold. Die Erklärung klingt komisch, aber der Manager von Fortuna Düsseldorf wird nicht vom Verein bezahlt. Wie sollte der auch, mit seinen 7,5 Millionen Euro Schulden? Bezahlt wird Berthold von der WPF Walter Group Project Development & Financial Services. Das klingt nicht nur anders als Oberliga, das ist es auch. Die Firma, ein Zweig des Bauunternehmens Walter Bau, betreibt Stadien, und in Düsseldorf wird eines gebaut. Obwohl weder Olympische Spiele noch die WM 2006 in die Landeshauptstadt kommen, entsteht eine Arena für 51000 Zuschauer mit verschließbarem Dach, die selbst im tiefsten Winter auf 19 Grad zu klimatisieren ist. 218 Millionen Euro kostet der Bau und wird – man glaubt es nicht – wirklich gebaut. Dort, wo einst das Rheinstadion stand. Zwar sagt Berthold, dass sich die Arena auch ohne Fußball rechnen werde, aber sicher ist sicher. Daher hat sich Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin, auf dessen Ehrgeiz das Bauprojekt beruht, an die Spitze des Aufsichtsrats von Fortuna Düsseldorf wählen lassen. Und WPF macht den Klub zum FC Bayern der Oberliga. Drei Millionen Euro, sagt Berthold, wird der Etat in der kommenden Saison betragen. „Der ist aber noch nicht ganz abgesegnet.“ Trotzdem werden die meisten Regionalligisten staunen. „Unser Ziel ist, in drei Jahren in der zweiten Liga zu spielen“, sagt Berthold. Irgendwie hört sich die Geschichte an, als ob ein Raumschiff auf dem Planeten Fortuna gelandet ist, um ihn fortan zu übernehmen. Am Steuer des intergalaktischen Gefährts sitzt Thomas Berthold – als strenger Commander. „Für einige im Verein ist es bestimmt komisch, wenn ihnen einer von außen vor die Nase gesetzt wird. Aber so ist das halt“, sagt er. Muss man Rücksichten nehmen? „Nee.“ Offensichtlich wird ein Klub zu seinem Glück gezwungen, dem sowieso nichts anderes übrig bleibt. „Ich sag’s ganz deutlich: Ohne die Arena gäb’s die Fortuna nicht mehr“, sagt Commander Berthold. So weht nun ein Hauch von großer weiter Welt durch den Flinger Broich, wo die Fortuna derzeit spielt. Der Manager hat den italienischen Trainer Massimo Morales verpflichtet, der zu Trapattonis Zeiten mal C-Jugend-Coach beim FCBayern war, später Assistenztrainer der ghanaischen Nationalmannschaft, Scout beim AC Mailand und Trainer bei de Grafschaap in Holland. „Das ist einer, der überzeugt, weil er eine Vision hat“, sagt Berthold, „und mal ehrlich gesagt: die Trainer in der Ersten und Zweiten Liga, das ist doch wie ein Karussell. Fußballerisch gibt es keine großen Impulse, deshalb hinken wir international auch hinterher.“ Die Erneuerung des deutschen Fußballs wird also vom Stadion an der Müllverbrennungsanlage im Norden Düsseldorfs ausgehen und – etwas später – von der Arena am Rhein. Auf dem Weg dahin wird Janos Dziwior helfen, früher Köln und Braunschweig, ferner ein Senegalese aus der zweiten französischen Liga, sowie ein Argentinier, der in seinem Heimatland in der Ersten und Zweiten Liga gespielt hat, und zwei Kameruner. „Die kommen als Studenten“, sagt Berthold – wegen der Ausländerbeschränkung im Amateurfußball. Bei deren Auswahl hat der Manager auf sein „weltweitesNetzwerk“ zurückgegriffen. Da werden der Konkurrenz aus Freialdenhoven, Kleve und Ratingen die Ohren schlackern. Im Moment wirkt das Raumschiff, das auf dem Planeten Fortuna gelandet ist, größer als die Fortuna selbst. Wenn man Thomas Berthold daran erinnert, dass die Fortuna aber immer noch ein Viertligist ist, nimmt er die Zukunft vorweg: „Vergessen Sie das mal, das Kapitel ist ad acta gelegt.“ Was eine ange |
"Das Trikot ist der Star" Ein lachender Totenkopf bringt Fortuna Düsseldorf Erfolg In diesen Tagen, da Fortuna Düsseldorf sich wieder einmal im Abstiegskampf der Regionalliga müht, ist dem Klub selten überregionale Aufmerksamkeit geschenkt. Und jenseits sportlicher Krisen nicht immer in Zusammenhängen, wie sie dem Verein unbedingt lieb sind. So wurde zwei Tage nach dem Anschlag auf das World Trade Center ein ehemaliger Spieler des Klubs in Belgien verhaftet. In der Wohnung des 31-jährigen Nizar Trablesi fand die Polizei automatische Waffen und in einem benachbarten Restaurant auch noch jenen Sprengstoff, mit dem sich der Tunesier vor der amerikanischen Botschaft in Paris in die Luft sprengen wollte. Seine Abkehr von Drogen und Alkohol hatte das gescheiterte Fußballtalent im radikalen Islam gefunden. Eine Karriere bei der Fortuna war ihm nicht vergönnt gewesen, obwohl er mit dem Koran unter den Stutzen aufs Feld gezogen war. "Es wird viel gebettelt" Trost in schweren Zeiten finden Fortuna-Fans darin, dass ihre kickenden Helden sich in dieser Saison mit einem selbst international gesehen bemerkenswerten Trikot schmücken. "Das ist wirklich einmalig", sagt Mittelfeldspieler Uwe Weidemann. Der ehemalige Bundesligaprofi muss aufgrund des Hemdes oft Begehrlichkeiten abwehren, denn "es wird schon viel gebettelt". Allerdings eher von den eigenen Anhängern als vom Gegner, weil "in der Regionalliga Trikottausch nicht üblich" ist. Obwohl es kürzlich einem gegnerischen Spieler trotzdem gelang und "der ganz stolz in unserem Trikot herumgelaufen ist", wie Pressesprecher Stach beobachtet hat. Dass der Star der Fortuna das Trikot ist, hat mit dem dort werbenden Sponsor zu tun. Zu Beginn der Saison sprang die Düsseldorfer Punkband Die Toten Hosen ein, als der Klub vor dem Bankrott stand. Gitarrist Breiti ist seit 1972 ein tapfer leidender Weggefährte der Fortuna, und weil alle anderen Bandmitglieder ebenfalls Fußballfans und überzeugte Düsseldorfer sind, "waren wir uns in dieser Notlage schnell einig". So gewannen die Toten Hosen eine Brauerei als Sponsor für ihre Tournee im nächsten Jahr und leiteten die Einnahmen von einer Million Mark zum Klub um. Die Anhänglichkeit der Band ist nicht neu und wurde bereits früher auch jenseits der Bühne bewiesen, wo sie oft in Fortuna-Trikots auftrat. Vor zwölf Jahren sprangen die Toten Hosen schon einmal helfend ein, erhoben bei ihrer Deutschland-Tour eine zusätzliche "Fortuna-Mark" Eintritt und finanzierten damit die Verpflichtung eines Nachwuchsspielers sowie "ein Bein von Tony Baffoe". Der heutige Betrag reicht für zwei Jahre Präsenz auf dem Trikot des darbenden Klubs, wo nun ein lachender Totenkopf in einem schwarzen Stern zu sehen ist. "Ich finde Werbung gut, die sich so einpasst, als würde sie zum Verein gehören", meint Trikotästhet Breiti. Deshalb hat die Band auf ihren Namenszug verzichtet und sich überdies ausführlich mit der Gestaltung der Shirts beschäftigt. Neben rot-weiß geringelten Hemden gibt es auf ihren besonderen Wunsch die Spezialanfertigung eines schwarzen Auswärtstrikots mit rotem Streifen auf dem Arm und lachendem Totenkopf in Rot. "Das fanden wir gut, weil schwarz so selten ist", sagt Breiti. Offensichtlich finden die Auswahl der Musiker viele Fans ebenfalls gut. Jedenfalls weit mehr, als sich Spiele der Fortuna anschauen. 15.000 Trikots, so melden die verdutzten Verantwortlichen beim Hersteller Umbro, seien bereits vorbestellt. "Für die Regionalliga ist das eine unglaubliche Zahl", meint Unternehmenssprecher Joachim Hein. In Mönchengladbach, dem euphorischen Bundesliga-Aufsteiger aus Fortunas Nachbarschaft, sind es zum Vergleich 40.000 Stück. Ab übernächster Woche wird Uwe Weidemann von den Fans auch seltener angebettelt werden, dann sind die Trikots endlich zu kaufen. Er findet es überhaupt "total sensationell, dass die Toten Hosen als Sponsor eingesprungen sind". Neuer Glamour-Faktor Offensichtlich gehört Weidemann zu den Spielern, die sich vor der Saison bei einer Sponsorenpflege der besonderen Art nicht quälen mussten. "Die Jungs wurden zum Mannschaftsausflug ins Müngersdorfer Stadion verpflichtet", sagt Breiti. Dort sollten sie aber keinesfalls dem alten Rivalen 1.FC Köln, sondern den Toten Hosen bei einem Open-Air-Konzert mit AC/ DC zuschauen. Der Besuch inspirierte das mäßig talentierte Team fortan zu engagierten Kampf. "Die Jungs sind in Ordnung", gibt jedenfalls Breiti seine Zustimmung, auch wenn er sich einen deutlicheren Aufwärtstrend wünschen würde. So bleibt vorerst der Glamour-Faktor der Fortuna in der Hand der Band, die sich noch überlegt, mit welchem Trikot sie ihr Team in der nächsten Saison herausputzen will. |
CHRISTOPH BIERMANN über Fortuna DüsseldorfLiebe und Verzweiflung"Wir sind Fortuna Düsseldorf - alles andere ist nur Fußball", las ich im Vorwort der Sonderausgabe der Stadionzeitung und zog den Kragen hoch, weil eine kalte Bö durch das Rheinstadion wehte. Ein guter Satz ist das, wie es überhaupt viele gute Sätze über Fortuna Düsseldorf gibt. Die besten haben Fans geschrieben. Je tiefer der Verein sank, um so eindringlicher wurden ihre Worte. "Liebe kann man nicht erklären", stand auf einem Transparent in der Kurve. Aber man will eben doch Erklärungen, wenn die Liebe so unglücklich ist wie die zu Fortuna. Aus Verzweiflung wird Literatur, denn in der Not entstehen die besten Sätze. Ich fand noch einen besonders guten, während unten auf dem Rasen Einlagespiele und Showauftritte die Abschiedspartie in Gang setzen sollten. "Je trüber die Zukunft, umso glorreicher die Vergangenheit", stand im Fanzine Nimm mich Volley. Mir fiel dazu ein, dass ich in der Vergangenheit hier einmal richtigen Spaß hatte. Zwei Spieltage vor Ende der Saison 1990/91 musste der VfL Bochum im Rheinstadion unbedingt gewinnen, um in der Bundesliga zu bleiben, und lag nach einer halben Stunde mit 0:3 zurück. Als noch 20 Minuten zu spielen waren, stand es wundersamerweise nur noch 3:2 für Fortuna Düsseldorf, und einer seltsamen Eingebung folgend begann ich, für die Umstehenden einen Angriff des VfL laut zu kommentieren wie ein Radioreporter.."Peter Peschel nun über rechts, flankt in den Düsseldorfer Strafraum, Dirk Helmig schraubt sich hoch und - Tooor! Ausgleich für den VfL Bochum!" Als im Gästeblock alle jubelten, schaute mich mein Nebenmann immer noch entgeistert an, als wäre ich der geheime Lenker des Spiels, und sagte mit ernstem Gesicht: "Kannse dat noch ma machen?" Konnte ich nicht, aber eine Minute später fiel der Siegtreffer, und zum einzigen Mal überhaupt hatte mein Team drei Tore Rückstand noch in einen Sieg verwandelt. Da war es auch nicht weiter schlimm, dass wir hinterher in den präriehaften Weiten der Parkplätze um das Rheinstadion das Auto lange suchen mussten und noch länger im Stau standen, obwohl wieder mal nur 11.000 Zuschauer da gewesen waren. Ein Jahr später wurde Fortuna Düsseldorf in der einzigen Saison, in der das möglich war, 20. der Bundesligatabelle und stieg ab. In den letzten 15 Spielzeiten brachte es der Klub auf acht Ab- und Aufstiege zwischen erster und dritter Liga. Demnächst geht es vielleicht sogar erstmals in die vierte Klasse hinunter und nur noch gegen Freialdenhoven und Velbert. "Wir können alle zur Verzweiflung bringen, aber am besten uns selbst. Wir können als Einzige immer noch schlechter werden", las ich in Nimm mich Volley. Wenigstens musste Fortuna Düsseldorf nur noch dieses Mal im Rheinstadion spielen, das der Klub nie ausverkaufen konnte, weil sich die Stadt nie wirklich für seinen Fußballverein interessiert hat. "Wir sind die Abrisskolonne", stand auf dem Transparent, das die Essener Fans mitgebracht hatten, und in der zweiten Halbzeit zündeten sie einige Plastiksitze an. Im Sommer wird der architektonische Irrtum abgerissen, um einem weiteren Platz zu machen. Dann wird eine Super-Arena gebaut, die niemand braucht, vom ruhmsüchtigen Oberbürgermeister abgesehen. Wer über Fortuna Düsseldorf nachdenkt, den umhüllen die schwarzen Schwingen der Melancholie. Der Klub kehrt nun an den "Flinger Broich" zurück, sein altes Stadion, gegenüber der Müllverbrennungsanlage. Doch weil in Düsseldorf alles schief läuft, was mit Fußball zu tun hat, klappte dort nicht einmal der Umbau. Eng, gemütlich und mit zunächst einmal 5.800 Plätzen passend ausgelegt ist es. Nur wird man die Spiele kaum richtig sehen können, die Gitter um den Platz sind zu engmaschig, und die Fans spotten schon über den "Zwinger Broich". "Wir können schwimmen und trotzdem untergehen. Wir können tot sein und wieder auferstehen. Wir sind Fortuna Düsseldorf. Wir können alles", hebt der Autor von Nimm mich Volley zum abschließenden Gebet an. Als das letzte Spiel im Rheinstadion abgepfiffen war, gingen die Zuschauer nach Hause und waren froh, hierhin nicht mehr wiederkommen zu müssen. Vielleicht hoffen sie auch, nie mehr wiederkommen zu müssen, denn manchmal ist mehr als Fußball einfach zu viel. |
Am Wochenende startet die Bundesliga in die neue Saison. Am
Wochenende startet auch Fortuna Düsseldorf. Alte Fußballer, wenn die Karriere längst vorbei ist, verschwinden nicht vollkommen. Sie haken sich fest in den Köpfen, durch eine Flanke, einen Schuss. Oder durch ihre Frisur, manchmal einfach durch ihre Frisur. Egon Köhnen sah schon als junger Fußballer wie ein Professor aus. Die Haare waren ihm mit Mitte 20 ausgefallen, bis auf einen schüchternen Kranz. In den Sammelbilderalben war er der Mann mit der Glatze bei Fortuna Düsseldorf. Köhnen hatte, beim Tauschen auf dem Schulhof, keinen gewaltigen Wert. Vier Köhnen für einen Gerd Müller. Aber man erinnert sich an sein Gesicht, obwohl er mit dem Bundesliga-Fußball – nach 272 Spielen – vor 20 Jahren aufgehört hat. Sieht man ihn wieder, erkennt man ihn sofort. Die Haare sind nicht weniger geworden, dafür sind sie jetzt eisgrau. Köhnen, 54, sagt, neulich sei er in einer Kneipe gewesen, einer am Tresen dreht sich nach ihm um, macht die Augen zu Schlitzen, sagt laut: „Ich krieg ’ne Gänsehaut, das is der Köhnen!“ Da drehen sich alle um und glotzen wie Kinder. Köhnen, in seinem Büro in der Luisenstrasse, hinter Computer und dem Rauch einer im Aschenbecher kokelnden Zigarette: „Komisches Gefühl, wenn du in so eine Kneipe wie ein Denkmal reingehst.“ Es liegt ja nicht an den Haaren, das weiß er selbst, sie sind eher ein Symbol. Wenn das Fußballfeld ein großes, grünes Meer ist, dann ist Köhnens Glatze sowas wie eine Signalboje, herüberleuchtend aus einer anderen, besseren Zeit. An diesem Wochenende fängt die Bundesliga wieder an. Fortuna Düsseldorf, gegründet 1895, startet gegen den MSV Duisburg, die Amateure des MSV Duisburg. Fortuna Düsseldorf, Meister 1933, Pokalsieger 1979 und 80, ist in die vierte Liga abgestiegen, Oberliga Nordrhein; spielt Sonntag nachmittags um drei, nicht Samstags um halb vier; spielt gegen Borussia Freialdenhoven oder SV Adler Osterfeld. Das hier ist die Geschichte eines beispiellosen Niedergangs. Immerhin ist die Fortuna, obwohl seit Jahren nicht mehr in der Bundesliga, in der „Ewigen Tabelle“ des Kicker immer noch auf Platz 15 von 48 Mannschaften. Wie gut müssen die mal Fußball gespielt haben. Wer begreifen will, wo er gelandet ist, muss nach oben schauen. Köhnen, heute bei einer Versicherung, früher in der Abwehr, schaut hinauf ins Jahr 1979, hinauf zum Ende eines für die Fortuna glänzenden Jahrzehnts – die Siebzigerjahre. Sie spielten gegen den FC Barcelona, im Endspiel des Europapokals der Pokalsieger: Vorn mit den Allofs-Brüdern und Wolfgang Seel, dahinter der Rest. Daniel, Baltes, Zimmermann, Schmitz, Bommer, Brei. Und Köhnen. „Wir haben abgeräumt“, sagt Köhnen. Und Gerd Zewe, der Libero, der Eleganteste nach Beckenbauer: „Der hat gezaubert.“ Die Torfolge, vor 58 000 in Basel: 0:1 Sanchez (5.), 1:1 Thomas Allofs (8.), 1:2 Asensi (34.), 2:2 Seel (41.), 2:3 Rexach (103.), 2:4 Krankl (111.), 3:4 Seel (114.) Ein Jahrhundertspiel. Egon Köhnen schnipst das Feuerzeug an. Er raucht Marlboro light, es geht ihm wie allen alten Fußballern, die erzählen sollen: Ihm fällt kaum mehr was ein. Barcelona spielte mit Neeskens, Asensi, Krankl. Weltstars. Wie das Spiel war? „Das hab ich gar nicht registriert, vom genauen Ablauf her.“ Er nennt das Spiel „unser Trauma“. Weil es der Höhepunkt für Fortuna war, und der Anfang vom Absturz. Erst musste Dieter Brei verletzt raus, dann Gerd Zimmermann. Sie hatten sich verbraucht, die Fortunen, und als das Spiel zuende war, bekam das Schicksal einen Knick. Brei und Zimmermann, Fußballer von der Art, die einzeln nichts sind, aber elf Männer erst zum Ganzen machen, kamen nie mehr richtig auf die Beine. Auf ihren Positionen war ein Loch. Es ist da bis heute. „Einer wie Hoeneß“ Es gibt solche Spiele, an denen ein Verein verzweifeln kann. Den Bayern, 1999 im Championsleague-Finale zerschellt an Manchester, hätte es so gehen können, den Leverkusenern gegen Unterhaching, als sie die Meisterschaft vergeigten, den Schalkern später, den Meistern der Herzen. Aber die haben Manager wie Uli Hoeneß oder Rudi Assauer, ehemalige Profis, die sich umschauen auf dem Markt und zu den verzweifelten Spielern neue und mutige Spieler holen. Sie lassen sich von Politikern trösten und verhandeln um Stadien, in denen man den Rasen zum Trocknen herausziehen kann. Landesvater Stoiber trägt eine Brille wie Clubchef Beckenbauer und spricht im Wahlkampf, wenn er den Standort Deutschland beschreibt, wie Manager Hoeneß: Von Aufstieg und Abstieg und Champions League und Schlusslichtern in Europa. „Wenn einer wie Hoeneß hier hergekommen wäre, dann wäre das ganz anders gelaufen“, sagt Köhnen. „Ich hab ja noch gegen ihn gespielt.“ Was das eine mit dem anderen zu tun hat, ist nicht klar, aber auch nicht so wichtig. Fortunas Fans vergessen selbst Spiele gegen die Bayern nicht, die 27 Jahre zurück liegen. Zum Beispiel das Spiel im Sommer 1975, und das war nicht gegen Bayern, das war gegen die Bayern. Die führten im ausnahmsweise mal vollen Rheinstadion in der Pause 4:2. Am Ende aber hatte die Fortuna 6:5 gewonnen. Es war eines der wahnsinnigsten Spiele in der Geschichte der Bundesliga. „Einer wie Hoeneß hätte uns tatsächlich geholfen", sagt Dieter Bierbaum. „Aber den hatten wir nicht.“ Dieter Bierbaum ist die Stimme der Fortuna, sagen die Fans, weil er im Stadion die Durchsagen macht, seit Ewigkeiten: Dieter Bierbaum, mit elf zur Fortuna gekommen, 46 Jahre im Verein. Hat alles im Kopf, jeden Namen, jede Nummer. Er ist das Gehirn, ein Archiv mit Haut und Haaren und Stadionsprecherstimme, die Zahlen mehr singt als sagt: „Seit 1987, dem erstmaligen Abstieg aus der Bundesliga, haben wir ungefähr 20 Trainer verbraten, sechs Präsidien, und – das ist fürs Guinnessbuch – 340 Spieler ein- und verkauft.“ Bierbaum macht eine Pause. Alles sei eine Kettenreaktion, sagt er dann. „Unsere Präsidenten hatten keine sportliche Kompetenz, haben blind dem Trainer vertraut, der hat die Spieler gekauft, dann war der Trainer weg, der nächste Trainer kam und hat neue Spieler gekauft.“ Keiner da mit Durchblick hat, ein schweres Schiff ohne Kapitän. Und immer ist Sturm in Düsseldorf. Bierbaum sagt: „Es gibt ein Fremdwort in Düsseldorf, das heißt Geduld.“ Als sie in der Zweiten Liga waren, redeten die Präsidenten von der Rückkehr in die Erste, neulich, in der dritten Liga, erklärte der Schatzmeister auf einer Versammlung, eine neue Satzung müsse her: „Schließlich will der Verein wieder Bundesliga-Niveau haben.“ Die Delegierten haben sehr gelacht, am Abend vor Altweiberfastnacht. „In Düsseldorf zählt nur die Nummer Eins“, sagt Bierbaum, „die Leute haben einen Anspruch hier, der ist brutal“. Er hat die Daten und die Zahlen dazu, das Spiel gegen Barcelona, Höhe- und Wendepunkt. „Das war am Mittwoch, dem 16. Mai 1979. Donnerstag sind wir zurück im Sonderzug. Freitag war Empfang vorm Rathaus, 15.000 Fans, Samstag war dann wieder Bundesliga. Wissen Sie, wie viele da gekommen sind? 12.300 Leute. Nach dem größten Spiel der Vereins-geschichte kommen grad mal 12 300 Figuren.“ Es ging nur gegen Bielefeld, okay, aber Bierbaum sagt: „Da hätte auch Schneeweiß Marathon Jerusalem kommen können, die Leute wären zuhause geblieben, die wollen hier immer nur Festtage, Festtage, Festtage.“ Düsseldorf ist keine Fußballstadt, eher eine Stadt der Kunst. Nicht ackern, sondern auf Inspiration hoffen: darauf, dass aus Chaos so etwas wie Ordnung entsteht. Man kann das Schluderei nennen. Köhnen sagt: „Da sind ja Dinge im Verein passiert, das glaubt kein Mensch. Ich hatte einmal, da waren wir ganz gut, für einen Freund fünf Dauerkarten bestellt und zwei Parkscheine. Da gab es erst keine Karten, die waren nicht gedruckt. Dann waren die Dauerkarten irgendwann da, aber die Parkscheine nicht.“ Sie haben immer die Falschen eingekauft, früher schon. Willi Lippens und Berti Vogts hätten sie haben können. Die Fachleute vom Verein hielten sie für zu schwach. Lippens wurde in anderen Vereinen zum Helden des Ruhrgebiets und Vogts zum Terrier der Nation. Einer der letzten Präsidenten – neben Lichthändlern, Autohändlern und weiteren Händlern ein Kunsthändler namens Helge Achenbach – hatte Künstler dazu gebracht, ihm Werke zur Verfügung zu stellten, die zu Gunsten des Vereins versteigert wurden. „Der Volkssport Fußball berührt die Seele vieler Künstler sehr“, sagte Achenbach. Auch Achenbach ging nicht als Sanierer des Vereins in die Geschichte ein. Nach drei Jahren Amtszeit sagte er: „Ich muss mich entschuldigen. Wir sind Dilettanten.“ „Das kann man so sagen, leider“, brummt Bierbaum. „Tja“, sagt Köhnen. Und jetzt? Vierte Liga. Schulden bis zum Hals. Lauter Verletzte: Der alte Zauberer Gerd Zewe mag sich auf ein Treffen nicht einlassen. „Da kommen nur wieder die ganzen Emotionen hoch“, sagt er am Telefon. „Mir blutet das Herz“, flüstert Zewe. Die Fortuna sei ’runtergewirtschaftet, „von Leuten, die keine Ahnung haben,Geschäftsleuten mit Profilneurose. Alle denken, sie haben den Fußball mit Löffeln gefressen.“ 7:1 gegen Bayern, 9.12.1978 Und damals? Ein Datum noch, Bierbaum trägt es im Herzen. Man muss nur nochmal sagen „Düsseldorf gegen Bayern“ – da rattert er sie wieder ’runter, die Zahlen, hinter denen sich Glück verbirgt, und jener Augenblick ist immerhin nur 24 Jahre alt: „9. Dezember 1978, 26 000 Zuschauer, 7:1.“ Jetzt haben die Bayern alles gewonnen; jetzt haben sie die Namen von Weltfirmen auf dem Trikot; jetzt sitzen Boris Becker und Edmund Stoiber auf der Tribüne; jetzt spielt Bayern in der Vorbereitung auf die neue Saison beim Jubiläumsturnier von Real Madrid und gewinnt 2:1 gegen AC Mailand. Fortuna hatte ein paar Tage vorher ein Testspiel 5:2 gewonnen. Gegen den SV Hilden- Nord. Jetzt ziehen die Bayern um, in ein neues Stadion vor der Stadt, das rot leuchtet, wenn sie spielen. Die einen haben alles richtig gemacht, die anderen alles falsch. Vier Köhnen für einen Gerd Müller. Wieviel Fortunen müsste man heute für einen Bayern geben? Der Kurs lässt sich nicht mehr bestimmen: Sammelbilder von Viertligisten gibt es nicht. Am vergangenen Wochenende ging morgens um zehn eine Art Zug los am Europaplatz in Düsseldorf. Eine Trauergemeinde zieht zum Rheinstadion, Männer im Fortuna-Trikot, im schwarzen Anzug, Zylinderhüte, aufklebbare Tattoos. Ein Défilé. Es regnet, als Kränze ins Rheinstadion getragen werden. Das Stadion galt mal – in den Siebzigern – als Zierde der Liga. Nun wird es abgerissen; eine Multifunktionsarena kommt her, in der die Fortuna nicht spielen wird. Die Fortuna – das hat sie den Bayern voraus – ist schon umgezogen, dahin zurück, wo einst alles begonnen hatte, ins kleine Paul-Janes-Stadion am Flinger Broich, weg vom schicken Norden, zurück in den räudigen Süden. Wie jemand, der von zuhause aufgebrochen war, um alles zu gewinnen. Und als er alles verloren hat, muss er wieder daheim im Kinderzimmer einziehen. Jedenfalls, bei der Beerdigung des Rheinstadions brummt Dieter Bierbaum Anekdoten aus der alten Zeit, und als es nicht mehr regnet, bleibt trotzdem alles nass. Knapp 1000 Fans sind im alten Stadion, von denen weinen viele. Schon ein paar Tage vorher waren in der Stadt Mauerstücke aus dem Stadion (25 Euro) verkauft worden, Original-Stadionrasen (15 Euro pro Blumentopf), Sitzschalen, 45 Euro das Stück, das Geld kriegt der Verein. „Damit Fortuna den Arsch wieder hochkriegt“, war der Slogan für die Aktion, als wollten die Düsseldorfer ihre Traurigkeit in Frohsinn ertränken – wie es ihre Art ist. „Bis zum bitteren Ende“ stand zuletzt auf den Plakaten der Fortuna, ein Slogan der Band Die Toten Hosen. Die Toten Hosen sind der Trikotsponsor – das ist eigentlich die ganze Geschichte. Dieter Bierbaum wird auch im Janes-Stadion die Aufstellungen durchgeben, Namen von Spielern, die weniger bekannt sind als er: Böcker, Schön, Tauer, Rösele, Tytarchuk. Undsoweiter. Bierbaum sagt, dass man jetzt zusammenhalten müsse. Vielleicht kann man das nur, wenn man nicht mitgespielt hat, wenn man noch Distanz hat bei aller Nähe. Egon Köhnen geht nicht mehr zur Fortuna. Vielleicht war er zu nah dran. Jetzt ist er ganz weit weg. Seine Erben haben ja nicht nur dauernd verloren. Sie haben auch noch jämmerlich gespielt. Oberliga? „Ich tu’ mir das nicht mehr an“, sagt Köhnen und schaut dem Zigarettenrauch nach, wie er die Bilder an der Wand vernebelt. Es hängen keine Fußball-Wimpel im Büro, wie sonst oft bei alten Fußballern. Nur ein paar Fotos. Geknipst von einem Freund. Lauter Sandbilder. Endloser Sand. Kein Baum. Dürre. |