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NICKERCHEN
AM LENKRAD
Middendorp
nach Zechtour fahruntüchtig
Statt
Schelte gab es Hilfsbekundungen: Obwohl Bielefelds Trainer Ernst
Middendorp am Morgen nach dem Spiel in Wolfsburg stark alkoholisiert in
seinem Auto aufgefunden wurde, stärkt ihm sein Präsident den Rücken -
und will sogar seine Verteidigung übernehmen.
"Die Kollegen haben vor Ort einen Alkoholwert festgestellt, der über
der Marke der absoluten Fahruntüchtigkeit lag", sagte ein Sprecher
der Polizeibehörde Gütersloh dem Sport-Informations-Dienst (sid). Ab 1,1
Promille gilt der Führer eines Kraftfahrzeuges als fahruntüchtig.
Middendorp droht wegen seiner Promillefahrt nun ein längerer Entzug der Führerscheins.
Der
Arminia-Coach war in der Nacht zum Sonntag gegen 3 Uhr nach dem Sieg beim
VfL Wolfsburg (3:2) in seinem Auto im westfälischen Halle nach dem
Hinweis eines Zeugen erwischt worden. Er hatte den Wagen halbseitig auf
dem Gehweg abgestellt, der Motor lief nicht mehr. "Er wurde auf die
Polizeistation in Halle gebracht, dort wurde ihm eine Blutprobe entnommen.
Mit dem Ergebnis rechnen wir noch in dieser Woche. Die Ermittlungen dauern
an", sagte der Polizeisprecher und ergänzte: "Von der Wache ist
Herr Middendorp mit einem Taxi in sein Hotel gefahren." Über den
Vorfall hatte Middendorp den Verein am Sonntagmorgen in Kenntnis gesetzt
und sein Bedauern zum Ausdruck gebracht. In einer Stellungnahme hatte der
abstiegsbedrohte Club erklärt, dass man zunächst das Ergebnis der
Ermittlungen abwarte, man aber davon ausgehe, dass niemand zu Schaden
gekommen sei. Geschäftsführer Roland Kentsch hatte im Hinblick auf mögliche
Konsequenzen erklärt: "Für den Fall, dass nichts Außergewöhnliches
dabei herauskommt - und davon gehen wir aus - kann ich das ausschließen." Auch
Arminia-Präsident Hans-Hermann Schwick stellte sich vor seinen Coach:
"Er bleibt Trainer. Das ist eindeutig, und es wird kein Weg daran
vorbei führen", sagte der Anwalt heute der Nachrichtenagentur dpa.
Vor möglichen vereinsinternen Konsequenzen wollen die Bielefelder
Verantwortlichen das Ergebnis der Blutprobe abwarten. "Diese Sache
wird nicht zum Hauptthema hochstilisiert. Unsere ganze Konzentration gilt
dem Kampf um den Klassenverbleib", sagte Schwick, der laut "Bild"-Zeitung
sogar Middendorps Verteidigung übernehmen soll.
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Konstruktiv
wahnsinnig
Neu
im Traineramt, will Christoph Daum den 1. FC Köln zum "Juventus
Turin vom Dom" machen
Inzwischen ist es beim 1.
FC Köln zur schönen Tradition geworden, Argumente zu finden, mit denen
sich der 1. FC Köln ungeachtet aller
tabellarischen Fakten in die Phalanx des großen Spitzenfußballs
hineinfantasieren lässt. Christoph Daum hat dem verzerrten Selbstbild am
Montag einen neuen Farbton beigemischt. Galten die Kölner in den 60er-
und 70er-Jahren als "Real Madrid vom Rhein", sind sie nun "Juventus
Turin vom Dom". Mit diesem Vergleich eröffnete
der neue Trainer die Pressekonferenz an seinem ersten offiziellen
Arbeitstag in Köln. Die Tatsache, dass in Turin Stars wie Gianluigi
Buffon oder Alessandro del Piero - Männer aus Daums Liga - im Unterhaus
spielen, habe dazu beigetragen, dass er sich nach seiner Absage doch noch
anders entschieden habe, erläuterte er. In dem Vergleich mit den
Italienern schwinge "vielleicht ein bisschen Selbstlob" mit, gab
Daum zu, aber Bescheidenheit gehört eben nicht zu seinen Stärken. Und
ganz bestimmt waren beim Training von Juventus noch nie ein paar hundert
Zuschauer. So viele wollten gestern Daums erste offizielle Einheit in Köln
sehen. Der
53-Jährige hat seinen Mangel an kritischer Selbstreflexion sogar
kultiviert. Wie selbstverständlich nahm er zur Kenntnis, dass seine
Antrittspressekonferenz bei einem Zweitligisten von drei Fernsehsendern
live übertragen wurde. Wahrscheinlich ist die Tatsache, dass er über
eine Art konstruktiven Größenwahn verfügt wie sonst nur Franz
Beckenbauer, sogar eines seiner Erfolgsgeheimnisse. Als müsse man nur ein
paar Hebel betätigen, hat er in seinen Ansprachen vorm 2:1 bei Greuther Fürth,
"erst mal etwas an der Kampfbereitschaft und am Selbstvertrauen
gemacht", sagte Daum. Und natürlich hat es funktioniert, was Manager
Meier dazu bewog anzumerken: "Wir haben ihn nicht nur wegen seiner
magischen Fähigkeiten geholt, sondern wegen seiner Kompetenz." Das war ein schöner
Satz, denn Daums Fähigkeit, Fußballer dort zu erreichen, wo sie sich
wirklich berühren lassen, scheint tatsächlich irgendwo in der
Zwischenwelt zwischen Greifbarem und Unerklärlichem zu liegen. Aus seinen
ersten Gesprächen berichtete er, dass die Spieler "mit offenen Augen
und Ohren" da säßen und die Botschaften empfängen. Gleichwohl
betreibe er keine Zauberei, "jetzt geht es darum, die Ärmel
hochzukrempeln"; mit einer einfachen Sprache müsse man "die
Grundwerte aktivieren". In manchen Momenten wirkte der Auftritt wie eine von Daums Motivationsreden aus einem Managerseminar. "Die One-Man-Show-Zeiten sind in allen wirtschaftlichen Bereichen vorbei, ich bin ein Teamarbeiter", verkündete er und verriet einen seiner besten Tricks: "Ich behandle die Spieler nicht so, wie sie sind, sondern so, wie ich sie gerne hätte." Im Winter habe der Klub aber auch andere "Möglichkeiten zur Personalangleichung", sprich: Neueinkäufe. Der Kölner Klub ist in
seiner gegenwärtigen Konstellation auch so etwas wie ein Sammelbecken der
Gescheiterten. Overath hat seine Antrittsmission, sich ohne Verschuldung
in der ersten Liga zu etablieren, verfehlt. Meier ist einer der
Konstrukteure von Borussia Dortmunds finanziellem Zusammenbruch, und Daum
musste vor sechs Jahren aus dem Land flüchten, weil ihm regelmäßiger
Kokainkonsum nachgewiesen wurde. Dass der Trainer in
dieser Kölner Umgebung der Satz "Profi-Fußball ist ein absolut seriöses
Geschäft" entglitt, sorgte bei vielen Beobachtern für ein
Schmunzeln. Doch mindestens ebenso meisterhaft wie sein Umgang mit
Spielern ist seine Fähigkeit, Boulevard und Intellektuelle zu
bedienen. Die meisten Trainer, die nach Köln kommen, bringen eine gewisse
Furcht vor den Zeitungen mit, Daum aber sagte nur gelassen: "Welche
Schlagzeilen sollen mich noch beunruhigen?" taz vom 28.11.2006,
DANIEL THEWELEIT
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